Es gibt Traditionen, die inzwischen die bündische und pfadfinderische Szene prägen. Und der alljährlich stattfindende Hamburger Singewettstreit ist definitiv eine davon. Pfadfinder*innen, Bündische und alles, was sich dieser Szene zugehörig fühlt, kommen zusammen, um in einem Wettbewerb verschiedener Kategorien die besten Singegruppen und Sänger*innen zu bestimmen. Zudem gehen von diesen Singewettstreiten immer wieder wichtige Impulse aus, was denn in nächster Zeit an Liedern die Lagerfeuerrunden erobert. Viele dieser Event gibt es mittlerweile in Deutschland, doch der Hamburger Singewettstreit dürfte einer der traditionsreichsten sein. Der Wettbewerb ist jedes mal wieder spannend, aber viele kommen auch wegen der Nachfeier, der Kontakte und der ausgelassenen Singerunden.

War im Jahr 2019 der Austragungsort ganz untypisch die neobarocke Laeisz-Halle mit ihrem edel-luxuriösen Flair, das schon Komponisten wie Richard Strauss oder Paul Hindemith zu schätzen wussten, gewesen, so ging es im Februar 2020 wieder ganz bodenständig in den Audimax der Universität Hamburg – wie in den Jahren zuvor auch.

Bereits am Vorabend hatten die Unbeugsamen, die bereits einen Tag früher angereist waren, die Möglichkeit genutzt, sich bei einer Vorfeier mit Szenegrößen wie Danube’s Bank und Polkageist auf der MS Stubnitz einzustimmen. Nun ging es also an das Hauptevent, das laut Webseite erwartungsgemäß bereits am 10. Januar ausverkauft war.
Etwas karg wirkte der Veranstaltungsort auf den ersten Blick schon. Hatte man doch, wohl um die Menschenmengen zu entzerren, den allseits beliebten Markt in das angrenzende Mensa-Gebäude verbannt. Neben den bekannten diversen Ausrüstern und Initiativen, die dort wie üblich Produkte und Aktionen darstellten, konnte man sich diesmal als Stammzellspender bei der DKMS typisieren lassen. Für Verpflegung sorgte das Team der örtlichen Mensa , das mit einer Auswahl zwischen Pommes und veganem Curry wohl den Massengeschmack traf.

In Kategorien wie „Sippen / Horte“ über Stämme, Singkreise bis hin zu Einzelsänger*innen spannte sich ein großer Bogen. Der Kreis der Teilnehmer*innen war mit Pfadfinder*innen aller Ausrichtungen, Fahrtenbünden bis hin zur Malteserjugend erfreulich weit gespannt. Neu diesmal auch, dass manchen Liedern eine dezidiert politische Ausrichtung anzuhören war – dies hatte man in den vergangenen Jahren meist zu vermeiden versucht. Durchweg auf hohem Niveau waren die Gesangsbeiträge, oft mit Instrumenten untermalt, ein echter Hochgenuss – egal, ob dort jetzt eine Wölflingsmeute, ein mehrstimmiger Singkreis oder ein gestandener Einzelinterpret wie Jens „Ich bin hier für den zweiten Platz“ Kauen (wer dabei war, wird es verstehen…) auf der Bühne stand.
Die Nachfeier, wie beim letzten Mal im traditionsreichen Weinloft des Badischen Weinhauses Michael, war zunächst eine logistische Herausforderung. War der Veranstaltungsort noch so gewählt worden, dass man ihn vom Audimax aus bequem erreichen konnte, so machten Bauarbeiten der Hamburger Verkehrsbetriebe die Anreise zu einem Abenteuer für sich – und brachten so größere Teile der – überwiegend wohlwollenden – Bevölkerung in den Genuss, in Bussen und Bahnen pfadfinderischem Liedgut zur Gitarre zu lauschen. Der Veranstaltungsort war natürlich wie immer leicht überfüllt, aber gerade das macht ja den Charme aus. Rustikale Verpflegung, günstige Getränke und Tanz im beheizten Zelt boten den Rahmen, um altbekannte Gesichter wieder zutreffen, singend und spielend Klassikern der Lagerfeuermusik zu lauschen und ausgelassen zu feiern. Das wurde auch bis in die nicht mehr so frühen Morgenstunden gut angenommen.

Fest steht jedenfalls: In einer Zeit, in der Perfektionismus, Technik und unpersönliche Unterhaltung gefragt scheinen, ist der Hamburger Singewettstreit ein Leuchtturm der Rückbesinnung auf das, was Pfadfinder*innen und Bündische schon immer vom Singen und Feiern verstanden. Allein dafür lohnt es sich jedes Jahr wieder, allein dafür strömen jedes Jahr mindestens tausend Halstuchträger*innen in die Stadt an der Elbe. Und so wird es auch den Hamburger Singewettsreit 2021 mit Sicherheit wieder geben.

Text: Stefan Scheiben
Fotos: Florian Gutnoff für den Hamburger Singewettstreit

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